Eine kurze Zusammenfassung der Digital Literacy Focus Group vom 20.09.2022 und ein paar Gedanken von Verónica Donoso, PhD und Thomas Heskia. – 

Digital literacy, digital citizenship – was bedeuten diese Begriffe und was haben sie mit dem Museum, gerade auch mit der aktuellen Digitalisierungsdebatte zu tun? In beiden Fällen geht es um die soziale Dimension der Digitalisierung, also um die Fähigkeit von Menschen elektronische Kanäle zu nutzen und darüber in Interaktion zu treten. Während digital literacy – auf deutsch Digitalkompetenz – erst mal ganz neutral die Fähigkeit darstellt, sich im digitalen Raum bewegen zu können, beschreibt digital citizenship das Vermögen, im digitalen Raum positiv, kritisch und kompetent zu agieren.

Es wäre ein Missverständnis zu glauben, diese Fähigkeiten bilden sich von alleine, sobald die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stünden. Deswegen sollte man sich erst dem Begriff der citizenship nähern, um ihn dann ins Digitale und schließlich auf das Museum zu übertragen. Dabei ist er nicht einmal so leicht ins Deutsche zu übersetzen: Citizenship ist normativ zu verstehen, und beschreibt im Wesentlichen die Möglichkeit und den Willen der Einzelnen, als mündige Bürgerinnen und Bürger einen konstruktiven Beitrag zum Gemeinwesen zu leisten.

Die drei Ebenen von digital citizenship

Digital citizenship geht weit über die digitalen literacy skills hinaus. Es bedarf auf der Kompetenzebene dem kritischen Denken, der Kreativität, sowie Kommunikation und Kollaboration, damit mit dem Einsatz der technischen Möglichkeiten sinnvolle digitale Inhalte entstehen können. Die Werteebene definiert verantwortliches und ethisches Handeln, Verantwortung und Rechte in moralischer und juristischer Hinsicht. Hier sind auch Fragen der Sicherheit und des Datenschutzes angesiedelt. Auf der Verhaltensebene geht es um den gleichen und freien Zugang und Methoden der aktiven Förderung. Es gibt nicht zuletzt auch einen gesundheitlichen Aspekt, nämlich dass von den virtuellen Welten keine Gefahr für die physische Integrität und das psychische Wohlbefinden ausgehen soll.

Wie soll das Museum nun mit digital mündigen Menschen umgehen? Dazu traf sich am 20.09.2022 eine online Fokusgruppe von Museumsleuten aus Deutschland, die verschiedene Aspekte in zwei Gesprächsrunden beleuchtete.

Der Ausgangspunkt

Am Anfang der ersten Runde stand die Frage: Weshalb ist digital citizenship wichtig für das Museum, die Besucher*innen und die Öffentlichkeit im Allgemeinen? Einig war sich die Gruppe darin, dass es mit Mitteln der Digitalität gelingt, die Zugänglichkeit zu erhöhen und Menschen mit dem kulturellen Erbe zu verbinden. Dabei ist zu beobachten, dass sich der Kontakt zunehmend außerhalb des Museums abspielt. Es entstehen neue Netzwerke, die Menschen einbinden, die gar nicht zu den klassischen physischen Besuchern des Museums zählen. Und dies sind nicht etwa nur passive Konsument*innen sondern können – wie etwa bei Hackathons oder digitalen Transcribathons – Menschen sein, die aktive Beiträge bei der dezentralen Kreation von Wissen bzw. dem crowd sourcing leisten. Digitalität muss in Outreach Aktivitäten eingebunden werden, um diese Gruppen aktiv – bis hin zu neuen Formen der digitalen Freiwilligenarbeit – einzuladen. Das verändert die Arbeit in allen Bereichen des Museums selbst, nicht zuletzt deswegen, weil sich die Grenzen des Systems „Museum“ verschieben. Hier braucht es nicht nur die technische Kompetenz, sondern auch eine Sensibilisierung für die soziale Dimension und die gesellschaftliche Verantwortung.

Boosting digital ditizenship

Zur gezielten Förderung von digital citizenship bedarf es verbesserter Möglichkeiten zur Interaktion und Zusammenarbeit: Museen können damit zu virtuellen Orten werden, an denen demokratisches Verhalten gelebt wird. Dazu bedarf es weiterer Schritte zur Zugänglichkeit und Inklusion: Die Digitalisierung von Objekten oder Sammlungen ist die Grundlage. Jedoch erst das Teilen der Daten führt zur digitalen Öffnung von Museen: Es ergeben sich daraus neue Möglichkeiten zur Verbreitung, der Erforschung, dem Remixing bis hin zur kollektiven Erschaffung neuer Bedeutungen und Erzählungen. Die Arbeit mit digitalen Werkzeugen ermöglicht den Teilnehmer*innen, ihre eigenen digitalen, aber auch relevante Fertigkeiten zu verbessern, wie beispielweise visuelle Fähigkeiten oder die Schreibkompetenz.

Ein Weg in die Zukunft

Im zweiten Teil der Fokusgruppe haben die Teilnehmer*innen anhand von sehr konkreten Projektideen darüber nachgedacht, wie sich Museen stärker für digital citizenship engagieren können, was nötig wäre, um dies zu verwirklichen, und mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert wären.

Um bei der Förderung der digital citizenship eine Rolle zu spielen, ist es für die Museen wichtig über den Tellerrand traditioneller Museumsarbeit hinauszuschauen. Dies einerseits in Hinblick auf neue Zielgruppen, andererseits auf neue Aufgaben, die Museen auf gemeinschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Ebene erfüllen können. Dazu ist ein besseres Verständnis des digitalen Publikums erforderlich. Dies ist insbesondere wichtig, da die Digitalisierung ein neues Publikum mit sich bringt, welches Bedürfnisse und Wünsche hat, die nicht unbedingt mit denen der herkömmlichen Besucher*innen übereinstimmen. Digitalität kann schließlich die Kooperationen unterschiedlichster Art – etwa mit vollkommen anders gelagerten Institutionen, neuen Expert*innen oder räumlich weit entfernten communities – erleichtern. Solche führen zu neuen Sichtweisen, die Objekten, Sammlungen und Beständen neue Bedeutung verleihen.

Das Personal lebt vor

Der Aufbau eines entsprechend kompetenten Personalstands wurde als besonders wichtig hervorgehoben. Damit ist nicht nur gemeint, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Ehrenamtliche über die gerade aktuellen digitalen Fähigkeiten verfügen, sondern dass systematisch die Möglichkeit für eine kontinuierliche berufliche Entwicklung, Fortbildung und gegebenenfalls Umschulung gegeben sein muss. Technische Anforderungen aber auch die Kommunikationskanäle in den Sozialen Medien ändern sich laufend. Lebenslanges Lernen ist entscheidend, ebenso wie eine andere Denkweise und ein klares Verständnis der Rolle, die Organisationen wie Museen bei der Verankerung von digital citizenship spielen können. Es ist dies mindestens ebenso wichtig, wie die benötigte technische Infrastruktur, die die unterschiedliche Grade von Interaktion, virtueller Realität oder künstlicher Intelligenz beinhalten kann. Neben ethischen Standards sind hier auch die Aspekte von cyber security und die Einhaltung von Datenschutzstandards vorzuleben.

Und wie erfährt man davon?

Um als relevant wahrgenommen zu werden ist eine effiziente Öffentlichkeitsarbeit vonnöten, die selbst die digitalen Kanäle kompetent bespielt. Wie können Menschen eingebunden werden, die nicht zu den üblichen oder erwarteten Besucher*innen gehören? Wie kommt man an die sogenannten „schwer erreichbaren“ Menschen? In einer neuen Form der Öffentlichkeitsarbeit, die selbst schon die Kernanliegen und Werte der eigentlichen Inhalte transportiert, wird es zukünftig auch vermehrt zu Überschneidungen der Arbeitsbereiche von klassischen PR-Mitarbeiter*innen, Digitalmanager*innen und Kurator*innen kommen. Und nur so nebenbei: Wie ist hier das Verständnis von und die Haltung zum Marketing? Hier gibt es noch viele Fragen, sowohl was die Kompetenzprofile wie auch ethische Fragen betrifft. Letztere sind sogar von zentraler Bedeutung, wenn es um eine glaubwürdige Vermittlung von citizenship geht.

In weiteren Überlegungen muss jedenfalls der gesellschaftliche Nutzen weiter herausgearbeitet werden, den digital citizenship und ihre Förderung im Kontext von Museen bringen kann. Schließlich – und da waren sich die Teilnehmer*innen der Fokusgruppe ebenso einig – bedarf es dafür auch eine gezielte Förderung der öffentlichen Hand. Das museum hub Team jedenfalls folgt weiter dem Weg das Museum als Ort von digital citizenship zu verstehen, denn jegliche Digitalisierungsstratgie sollte gerade den gesellschaftlichen Mehrwert in den Mittelpunkt stellen.

Ein umfangreicher Bericht über die Ergebnisse der Fokusgruppe Digital Literacy – Boosting Digital Citizenship erscheint iAnfang 2023.