Was bedeutet Innovation? Mal prinzipiell Neuerung. Das Ergebnis dieser Neuerung löst ein Problem, für das es bisher keine Lösung gab. Das können Neuerungen von Produkten und auch von Prozessen und Organisationsformen sein. Innovation ist die Währung des Fortschritts und des Wachstums. Ein Wachstum, das jedoch nicht nur quantitativ zu verstehen ist, sondern auch ein Besser beinhaltet. Wobei die Definition, was das „Besser“ überhaupt ist, noch eine wichtige Frage der angewandten Philosophie darstellt, auf die wir in einem weiteren Blogartikel vertiefend eingehen werden.

Das klassische Verständnis von Innovation ist, dass sie vom technischen Fortschritt getrieben wird. Wir denken dabei an Tüftler und Erfinderinnen, die neue technische Errungenschaften in die Welt bringen. Aber auch im Museum denken wir bei Innovation als Allererstes an die sich im raschen Takt erweiternden technische Möglichkeiten, zuallererst im Feld der Digitalisierung.

Innovation geht nicht allein

Nicht nur im Bereich der Digitalisierung ist bei uns bereits die Erkenntnis gewachsen, dass zur Innovation technische Möglichkeiten allein nicht ausreichend sind. Für Innovation braucht es einerseits die Akzeptanz in der Organisation, wie auch die Annahme durch Kund*innen, Besucher*innen und von Gästen. Damit verbunden sind neue Verwendungsgewohnheiten, Prozesse und Kommunikationen, so dass die Neuerung auch ihre Nutzer*innen und schließlich Nachahmer*innen findet.

Dabei zeigt sich, dass das, was die Neuerung erst wirklich zur Innovation macht, ein sozialer Prozess ist. Oder noch pointierter: Bei Innovation handelt es sich in erster Linie um ein soziales Phänomen. Oft kommt man erst viel später darauf, dass technisch recht unspektakuläre Entwicklungen ganz gewaltige Schübe in der gesellschaftlichen Entwicklung auslösen können. Am Beispiel des Buchdrucks sieht man, wie die Neuerung von Anfang an in der Gesellschaft verankert wurde – durch den Druck der Bibel in einer noch religiös geprägten Welt.

Von Zerstörung und Konflikt zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung

Beim Begriff der Innovation kommt man nicht um den altösterreichisch-amerikanischen Ökonomen Josef Schumpeter (* 8. Februar 1883 in Triesch, Mähren, † 8. Januar 1950 in Taconic, Connecticut) herum. Sein Verdienst ist es den statischen Wirtschaftsmodellen, die von der allgemeinen Gleichgewichtstheorie geprägt waren, die Innovation als dynamisierendes Element hinzuzufügen. Und er prägte das Bild der „Schöpferischen Zerstörung“, dass nämlich Altes zerstört werden muss, damit das Neue seinen Platz finden kann.

Die Folge dieser Sicht sind die Konflikte, die wir bis heute mit Innovation verbinden. Etabliertes gegen Neues, Jung gegen Alt, diejenigen, die mitkommen, gegen diejenigen, die zurückbleiben. Verbunden damit ist auch ein Kult der Innovation, der in gewisser Weise eine Erscheinungsform des Jugendkultes darstellt. Jeder will sich innovativ zeigen, auch diejenigen, die es im Kern gar nicht sind. Es geht dabei vor allem darum, externen Erwartungen zumindest scheinbar zu entsprechen.

Organisationen wollen innovativ sein, nur bitte nicht zu sehr. Hierarchien wollen sich den Anstrich von Innovation verpassen, sie wird dabei zeremoniell verbrämt, nur in Wirklichkeit läuft Innovation quer zu Hierarchien. Hierarchien und noch vielmehr ihre Systemerhalter*innen werden durch neue Muster, Abläufe und Anforderungen massiv in Frage gestellt. Innovationen müssen Wege in die Organisation finden und diese müssen lernen, damit umzugehen. Damit wären wir bei der organisationalen Innovation angelangt – bei den Transformationen und Veränderungen, über die wir jetzt im Museumsbereich diskutieren.

Innovation kommt aber heute nicht nur entwicklungs- und produktgetrieben daher, sondern setzt immer mehr direkt bei den sozialen und ökologischen Probleme im Außen an. Wir brauchen neue Wege, um Ungleichheit, soziale Spaltung, Klimawandel, Nachhaltigkeit und globale Konflikte in den Griff zu bekommen. Dafür wurde der Begriff der sozialen Innovation geprägt. Soziale Innovation ist der Prozess der Entwicklung und des Einsatzes wirksamer Lösungen für schwierige und oft systemische soziale zur Förderung des sozialen Fortschritts (Eine umfassende Definition findet sich hier).

Und damit kommen wir auch weg von der schöpferischen Zerstörung. Innovation soll vielmehr als ein Mittel der Weiterentwicklung und des menschlichen Wachstums begriffen werden, das Gesellschaft und Menschheit dient. Das in den Blick nimmt, welche positiven Entwicklungen unterstützt werden müssen und was es an Neuem braucht, um sich von den langfristig schädlichen technikgetriebenen Innovationen der vergangener Zeiten zu verabschieden. Hier sind wir mehr denn je gefragt liebgewonnene Gewohnheiten hinter uns zu lassen, uns nicht auf die Beschränktheit unseres eigenen Handlungsspielraums auszureden, sondern mit einer Innovationskultur der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit voranzugehen. Dazu sind wir als Mitteleuropäer*innen wie als Museumsleute gefragt und durchaus in der Lage.

Was nun?

Wenn wir das konkret für das Museum denken, können wir zwei Strängen folgen:

  1. (Intern) Wie gehen wir im Museum mit Innovationen um, um unseren kulturellen und sozialen Auftrag noch besser und effektiver umzusetzen. Vielleicht sogar auch effizienter? Wie gestalten wir unsere Institutionen so, dass sie Innovationen fördern?
  2. (Extern) Welchen Beitrag kann das Museum gesamtgesellschaftlich im Rahmen der sozialen Innovation – also in Bezug auf Bildung, Demokratie, Ökologie und Nachhaltigkeit – leisten?

Beides ist nicht trivial. Bei internen Umgang mit Innovation werden wir mit den Veränderungsprozessen inhärenten Beharrungskräften innerhalb der Organisation konfrontiert. Im Externen kommt es vordergründig auch zu einem Widerspruch, da das Museum sich in der Vergangenheit mehr auf Bewahrung und Konservierung als auf die Schaffung von Neuem konzentriert hat.  Viele Häuser schöpfen mittlerweile gemeinsam mit Ihrem Publikum aus ihren Beständen Ideen für die Zukunft. Als letzte Herausforderung käme jetzt noch hinzu dazu, die Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit auch glaubhaft und mutig nach außen darzustellen.

Zum Weiterlesen:

Wolf Lotter (2018), Innovation. Streitschrift für ein barrierefreies Denken, Hamburg: Edition Körber-Stiftung.

Hatham Eid (2019), Museum Innovation and Social Entrepreneurship. A new model for a challenging era. Abingdon and New York: Routledge.